Meldet der Betriebsrat seine Mitglieder für ein erforderliches Seminar an, muss der Arbeitgeber das Gremium von den Kosten dafür freistellen. Der Freistellungsanspruch steht auch nach Auflösung des Betriebsrats den früheren Mitgliedern weiter zu – so das LAG Hessen.
Die Beteiligten streiten über Kosten für die Teilnahme an einem Seminar und darüber, ob die Mitglieder des Betriebsrats auch nach dem Ende ihrer Amtszeit die Anspruch auf Freistellung von den Kosten einer Schulung haben (§ 40 Abs. 1 BetrVG).
Das war der Fall
Der inzwischen nicht mehr bestehende Betriebsrat eines Textileinzelhandelsunternehmens bildete per Beschluss einen Wirtschaftsausschuss. Drei Teilnehmer schickte das Gremium im Mai 2017 auf ein Seminar, das die Grundlagen der Arbeit des Wirtschaftsausschusses vermitteln sollte. Die Kosten für die Seminarteilnahme betrugen für alle drei Teilnehmer 4.448,22 Euro, die Kosten für die Übernachtung und Tagespauschale insgesamt 1756,44 Euro.
Der Arbeitgeber zahlte nicht, auch nicht nachdem der Betriebsrat sich 2018 aufgelöst hatte. Daraufhin nahm der Schulungsanbieter die drei Betriebsratsmitglieder direkt in Anspruch. Der Arbeitgeber stellte sich auf den Standpunkt, dass das Seminar nicht erforderlich gewesen sei. Außerdem könnten die ehemaligen Betriebsratsmitglieder nach Auflösung des Gremiums keine Ansprüche mehr an ihn stellen.
Das sagt das Gericht
Arbeitgeber muss Betriebsratsmitglieder freistellen
Das LAG entschied, dass der Arbeitgeber die drei Ex-Betriebsratsmitglieder von den Rechnungen für die Schulungen und die sonstigen Ausgaben freistellen muss. Die Kosten für »erforderliche« Schulungen muss der Arbeitgeber tragen (§ 40 Abs. 1 BetrVG). Bei der Prüfung der »Erforderlichkeit« hat der Betriebsrat einen weiten Beurteilungsspielraum.
Die Richter sahen hier die »Erforderlichkeit« als gegeben an, die Kosten ebenfalls für angemessen. Der Betriebsrat habe die Teilnahme seiner Mitglieder wirksam beschlossen. Er müsse nicht das kostengünstigste Seminar nehmen, nur wenn mehrere qualitativ gleichwertige Seminare verfügbar sind, kann er auf das günstigste Angebot verwiesen werden. Neben den eigentlichen Seminargebühren muss der Arbeitgeber auch die notwendigen Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten des Betriebsratsmitglieds übernehmen.
Durch diese Kostentragungspflicht entsteht zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat ein vermögensrechtliches gesetzliches Schuldverhältnis. Gläubiger ist der Betriebsrat. Wenngleich das Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat keine generelle Rechts- und Vermögensfähigkeit verleiht, ist er insoweit als – partiell – vermögensfähig anzusehen.
Freistellungsanspruch bleibt nach Amtszeit erhalten
Diese Freistellungsansprüche bleiben – so das Gericht – auch nach dem Ende der Amtszeit des Betriebsrats erhalten, sofern sie vom Arbeitgeber nicht erfüllt sind. Zwar enden mit dem Ende der Amtszeit des Betriebsrats dessen betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte ersatzlos. Etwas anderes gilt für Kostenerstattungs- und Freistellungsansprüche des Betriebsrats, die zum Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit des Betriebsrats vom Arbeitgeber noch nicht erfüllt sind. Hinsichtlich dieser Ansprüche gilt – so das LAG – der Betriebsrat als fortbestehend. Zur Abwicklungsbefugnis gehört die Verfolgung der vom Arbeitgeber noch nicht erfüllten Freistellungsansprüche.
Das muss der Betriebsrat beachten
Das Betriebsratsamt ist und bleibt ein Ehrenamt. Die durch diese Amtsausübung entstehenden Kosten trägt komplett der Arbeitgeber. Das ist ein »eisernes Gebot«. Der Arbeitgeber trägt die Kosten der Betriebsratswahl, sämtliche durch seine Tätigkeit entstehenden Kosten bis hin zu den Kosten der Einigungsstelle. Er muss dem Betriebsrat Räume, sachliche Mittel und Büropersonal zur Verfügung stellen und – last not least – sämtliche für die Teilnahme an erforderlichen Schulungen entstehenden Kosten übernehmen.
Dieses gesetzliche Regelungskonzept würde durchbrochen, wenn entstandene und vom Arbeitgeber noch nicht erfüllte Kostenfreistellungsansprüche mit dem Wegfall des Betriebsrats ersatzlos untergingen. Daher aufgepasst: als Betriebsratsmitglied dürfen Sie auch nach dem Ende der Amtszeit alle Kosten- und Freistellungsansprüche an den Arbeitgeber richten.
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Quelle: LAG Hessen (11.03.2019)
Aktenzeichen 16 TaBV 201/18