Bei individuellen Krankengesprächen mit Mitarbeitern darf der Betriebsrat nicht mitbestimmen. Die Einigungsstelle kann solche Gespräche deshalb nicht gegen den Willen des Arbeitgebers verbieten. Das hat das LAG Köln entschieden.
Das war der Fall
Die Arbeitgeberin betreibt einen Textileinzelhandel. Mit dem Gesamtbetriebsrat erarbeitete sie einen Leitfaden für Krankenrückkehrgespräche. Der Betriebsrat eines Verkaufsgeschäfts der Arbeitgeberin war der Ansicht, er hätte bei der Erstellung des Leitfadens mitbestimmen dürfen. Im Einigungsstellenverfahren einigten sich die Betriebsparteien darauf, keine formalisierten Krankengespräche im Betrieb zu führen.
Die Einigungsstelle definierte den Begriff des »formalisierten Krankengesprächs« sehr weit, sodass davon alle Gespräche der Arbeitgeberin mit Arbeitnehmern nach der Rückkehr aus krankheitsbedingten Fehlzeiten umfasst waren. Hiergegen wehrte sich die Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht. Sie ist der Ansicht, die Einigungsstelle hätte individuelle Krankengespräche nicht untersagen dürfen. Das Arbeitsgericht gab ihr Recht. Gegen die Entscheidung legte der Betriebsrat Beschwerde ein.
Das sagt das Gericht
Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Der Spruch der Einigungsstelle war unwirksam. Die Einigungsstelle hätte nicht alle Krankenrückkehrgespräche untersagen dürfen.
Formalisierte Krankengespräche sind mitbestimmungsdürftig
Das Gericht stellt nochmal klar, dass der Betriebsrat bei formalisierten Krankengesprächen mitbestimmen darf, § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Hierbei geht es nämlich um das Verhalten der Arbeitnehmer in Bezug auf die betriebliche Ordnung und nicht um das Verhalten bei der Arbeitsleistung selbst. Führt der Arbeitgeber also Krankengespräche anhand abstrakter Kriterien mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern, um einen überdurchschnittlichen Krankenstand zu ermitteln, muss er den Betriebsrat beteiligen.
Anders ist es, wenn der Arbeitgeber individuelle Krankenrückkehrgespräche führt, die keinen Bezug zur übrigen Belegschaft haben. Dann besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
Solche Gespräche darf die Einigungsstelle deshalb auch nicht verbieten. Sie überschreitet damit ihre Befugnisse.
Praxishinweis
Der Betriebsrat sollte darauf achten, ob der Arbeitgeber wirklich individuelle oder formalisierte Krankenrückkehrgespräche führt. Ein Gespräch gilt als formalisiert, wenn
- der Arbeitgeber die Arbeitnehmer für die Gespräche nach abstrakten Regeln auswählt,
- die Gespräche einen gleichförmigen Ablauf haben und
- es dem Arbeitgeber um eine betriebliche Aufklärung zur Erkennung der Einflüsse der Arbeit auf den Krankenstand geht.
Autorin:
Clara Seckert, Rechtsanwältin, Kanzlei Göhring, Wallé und Meisinger, Kusel.
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Quelle
LAG Köln (02.09.2022)
Aktenzeichen 9 TaBV 16/22