Das war der Fall
Die beiden Arbeitgeberinnen sind Träger eines Gemeinschaftsbetriebs mit 367 Beschäftigten. Da die Zahl der Mitglieder des dort gebildeten Betriebsrats unter die vorgeschriebene Größe gesunken war, bestellte dieser außerhalb des regulären Wahlzeitraums einen Wahlvorstand zur Durchführung einer Neuwahl.
Am 8.12.2022 machte der Wahlvorstand das Wahlausschreiben durch Aushang bekannt. Gewählt werden sollte ein neunköpfiger Betriebsrat. Bis zum Ablauf der Frist am 22.12.2022 ging jedoch nur ein Wahlvorschlag mit sechs Bewerbern ein. Daraufhin setzte der Wahlvorstand eine Nachfrist, die er am 23.12.2022 bekanntgab. Auch bis zu deren Ablauf am 29.12.2022 wurde kein weiterer Vorschlag eingereicht.
Die Wahl fand am 15.2.2023 statt. Am selben Tag wurde das vorläufige, am 23.2.2023 das endgültige Ergebnis veröffentlicht. Alle sechs Bewerber erhielten Stimmen. Die Arbeitgeberinnen fochten die Wahl an, da sie zahlreiche Mängel im Verfahren sahen, insbesondere eine zu kurze Nachfrist für Wahlvorschläge.
In den Vorinstanzen wurde die Wahl für unwirksam erklärt. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatte die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen, da die Wahl an wesentlichen Mängeln gelitten hätte und nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Wahlergebnis ohne den Verstoß anders ausgefallen wäre.
Das sagt das Gericht
Nach Auffassung des BAG habe das LAG mit der gegebenen Begründung die Betriebsratswahl nicht für unwirksam erklären dürfen. Es habe die Voraussetzungen einer Wahlanfechtung zu Unrecht bejaht, weil es davon ausging, der Wahlvorstand habe eine zu kurze Nachfrist zur Benennung weiterer Wahlbewerber bis zum 29.12.2022 gesetzt.
Der Wahlvorstand sei jedoch nicht verpflichtet, überhaupt eine Nachfrist für die Einreichung von Wahlvorschlägen nach § 9 Abs. 1 WO analog zu bestimmen. Richterliche Rechtsfortbildung dürfe nicht dazu führen, dass Gerichte ihre eigene Vorstellung materieller Gerechtigkeit an die Stelle des gesetzgeberischen Willens setzen. Der in § 9 WO geregelte Fall, dass nach Ablauf der Einreichungsfrist keine gültige Vorschlagsliste vorliegt, unterscheide sich wesentlich von der Situation, in der zwar eine Liste eingereicht wird, diese aber zu wenige Bewerber enthält. Für die Annahme, der Wahlvorstand müsse stets eine Nachfrist setzen, wenn insgesamt weniger Bewerber als Betriebsratssitze vorhanden sind, fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.
Zwar stelle die vom Wahlvorstand gesetzte Nachfrist einen Verstoß gegen das Wahlverfahren dar. Dieser Fehler habe im konkreten Fall jedoch keinen Einfluss auf das Wahlergebnis: Innerhalb der verlängerten Frist gingen keine weiteren Wahlvorschläge ein. Zur Wahl standen somit ausschließlich die Bewerber, die auf dem fristgerecht bis zum 22.12.2022 eingereichten Wahlvorschlag aufgeführt waren.
Das BAG hat den Beschluss der Vorinstanz aufgehoben und die Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung zurückverwiesen. Diese solle zunächst feststellen, welche weiteren Mängel im Wahlverfahren – neben der unrichtigen Fristsetzung analog § 9 Abs. 1 WO – vorliegen und sich inhaltlich mit den weiteren Verstößen gegen wesentliche Wahlvorschriften befassen.
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