Arbeitsunfall

Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit

Was ist ein Arbeitsunfall und was nicht?

Betriebsräte spielen mit ihrer Mitbestimmung und dem damit zusammenhängenden Gestaltungsspielraum eine bedeutende Rolle im Gesundheitsschutz in den Betrieben. Einer der zentralen Bereiche sind die Prävention und der Schutz vor einem Arbeitsunfall. Diese werden den Betriebsräten von den regulierenden Berufsgenossenschaften gemeldet. Zusätzlich erhält der Betriebsrat gesetzlich geregelt von den Unternehmen Informationen zu gesundheitsschutzrelevanten Themen im Betrieb. So kann er sich ein Bild von Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit machen.

Beides ermöglicht es, unerkannte risikobehaftete Schwach- und Gefahrenstellen in den Arbeitsumgebungen und -abläufen zu identifizieren. So kann die Arbeitssicherheit entsprechend optimiert werden. Nur: Wann ist ein Arbeitsunfall ein Arbeitsunfall, bei dem zum Beispiel ein Anspruch auf Lohnfortzahlungen mit einem Verletztengeld von bis zu 78 Wochen besteht? Und wann können die Reha-Maßnahmen zur Reintegration in die Arbeit gezielter gestaltet werden?

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) deklariert neben den Unfällen am Arbeitsplatz übrigens auch Unfälle bei der Ausübung eines Ehrenamtes als Arbeitsunfälle. Gleiches gilt für Unfälle bei der Pflege eines nahen Angehörigen im eigenen Wohnhaus, beim Schulbesuch oder bei der Hilfeleistung nach einem Verkehrsunfall. Auch der Unfall eines Kindes während seines Besuchs im Kindergarten fällt in diese Kategorie. Ebenso zählen Schul- und Hochschulbesuche von Schülerinnen und Studentinnen dazu. Kurz gesagt:

Arbeitsunfälle sind laut Info des BMAS „die Unfälle, die versicherte Personen infolge einer versicherten Tätigkeit erleiden“.

So weit, so interpretationswürdig. Denn ebenfalls richtig ist zum Beispiel, dass auch bei der Arbeit entstehende Schäden an Hilfsmitteln wie Brillen oder Hörgeräten zu den Arbeitsunfällen gehören können und vom jeweiligen Unfallversicherungsträger zu regulieren sind. Letzterer ist dazu angehalten, bei jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall vorliegen – und zwar unabhängig von der Schuldfrage der eventuell Beteiligten.

Wegeunfälle und Arbeitssicherheit

Zu den Arbeitsunfällen zählen auch sogenannte „Wegeunfälle“. Das sind Unfälle auf dem direkten Weg zur Arbeit und zurück. Versichert sind nur die direkten Strecken, nicht private Umwege. Macht eine Arbeitnehmer*in nach Feierabend einen Umweg für Privates, besteht kein Versicherungsschutz.
Liegt ein Ort wie ein Supermarkt direkt auf dem Arbeitsweg, ist der Schutz gegeben. Der Heimweg darf in diesem Fall bis zu zwei Stunden unterbrochen werden, ohne dass der Versicherungsschutz erlischt.

Arbeitssicherheit
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Und was ist bei einem Stau, den man umfahren will? Dann ist der Weg nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Osnabrück aus 2019 (AZ: S 19 U 2 151/17) so zu wählen, dass er „verkehrsbedingt nachvollziehbar“ ist. Sprich: Wählt man einen Umweg, der um ein Vielfaches (Strecke und Zeit) länger ist als der Weg durch den Stau, kann der Versicherungsschutz erlöschen. Es kommt auch hier auf den Einzelfall an.

Zwei verschiedene paar Kaffee

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Der Arbeitsbereich zu Hause im Homeoffice ist durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz (06/2021) dem Arbeitsplatz im Unternehmen bezüglich des Unfallschutzes grundsätzlich gleichzusetzen. Was also im Betrieb einen Arbeitsunfall darstellt, ist auch im Homeoffice einer – könnte man meinen. Grundsätzlich wichtig zur Unterscheidung zwischen einem Arbeitsunfall und einem privaten Unfall ist der Aspekt, ob man als Arbeitnehmer*in zum Unfallzeitpunkt eine Handlung ausgeführt hat, die zur beruflichen Tätigkeit gehört.

Hier gibt es feine Unterschiede, wie Beispiele zeigen: Bin ich als Arbeitnehmer*in im Homeoffice und stürze zum Beispiel auf dem Weg zwischen dem Aktenordner-Regal und dem Schreibtisch, so ist dies ein Arbeitsunfall. Passiert das gleiche Missgeschick auf dem Weg zur Haustür, weil ich dem Paketboten öffnen will, ist dies kein Arbeitsunfall, den die Berufsgenossenschaft reguliert.

Zurück in den Betrieb: Wer sich einen Kaffee holen geht und auf diesem Weg verunglückt, sich verletzt oder verletzt wird, ist unfallversichert, wenn der Weg während der Arbeitszeit stattgefunden hat. Geschieht der Vorgang in der Pausenzeit, ist die Verletzung oder der Schaden nicht unfallversichert. Auch nicht unfallversichert ist das Trinken des Kaffees. Denn das hat nichts mit der versicherten beruflichen Tätigkeit zu tun.

Ähnlich kurios verhält es sich mit dem Gang auf die Toilette. Der ist für Arbeitnehmer*innen bis zur Toilettentür unfallversichert, was dahinter geschieht, ist privat und der Versicherungsschutz besteht nicht. Im Homeoffice stellen sich diese Fragen nicht: Hier ist ein Unfall weder beim Gang auf die Toilette noch beim Kaffeeholen ein Arbeitsunfall.

Privat oder beruflich – Das ist immer die Frage

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Es liegt in der Natur der Sache, dass man sich vor Unfällen mit Schadensfolge nur bedingt wappnen kann. Sie passieren eben deshalb, weil Unvorhergesehenes plötzlich eintrifft und man nicht darauf vorbereitet ist. Das Wissen, wann man als Arbeitnehmer*in unfallversichert ist und wann nicht, steigert aber die Aufmerksamkeit für die eigenen Handlungen.

Dazu noch ein Beispiel: Hat eine Arbeitnehmer*in etwas im Auto liegen lassen und verlässt die Arbeitsstätte, um es zu holen, kommt es bei einem eintretenden Unfall auf diesem Weg darauf an, um welchen Gegenstand es sich bei diesem „Etwas“ handelt: a) das Firmen-Handy oder b) das eigene Handy, um auch während der Arbeitszeit privat erreichbar zu sein. Richtig: Im Fall a) ist der Arbeitsunfall versichert, bei b) handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall.

Lothar Wirtz, Erschienen im Navigator Ausgabe 5, 19.05.2025
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