Darum geht es:
Der Kläger war seit 2016 als Leiter eines Tierheims beschäftigt. Sein Arbeitgeber war der Trägerverein des Tierheims. Im März 2025 kündigte der Trägerverein einer für den Katzenbereich zuständigen Mitarbeiterin fristlos. Kurz darauf kam es zu Spannungen zwischen dem Kläger und dem Vereinsvorsitzenden.
Am 28. März 2025 erhielt der Kläger selbst die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung. Begründung: Er habe am 15. März 2025 eine Datei „Bestandsliste Katzen“ mit Impf- und Kastrationsdaten sowie eine Datei mit Katzenfotos gelöscht. Diese Dateien seien für die tägliche Arbeit und die Vermittlung der Tiere unverzichtbar gewesen.
Der Kläger bestritt den Vorwurf. Er erklärte, die Dateien nicht gelöscht zu haben; zudem hätten mehrere Personen Zugriff auf den Rechner gehabt, der nur mit einem allgemein bekannten Passwort geschützt war. Die fraglichen Informationen seien auch in anderen Systemen und Unterlagen vorhanden gewesen.
Das sagt das Gericht
Das Arbeitsgericht (ArbG) Bocholt gab der Kündigungsschutzklage statt. Es gebe bereits keinen Nachweis einer Pflichtverletzung. Der Arbeitgeber habe den behaupteten Löschvorgang nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Weder sei der genaue Zeitpunkt der Löschung ermittelt noch eine Nutzungschronologie oder Datensicherung vorgelegt worden. Wegen des allgemein bekannten Passworts und fehlender individueller Anmeldungen sei nicht feststellbar, welche Angestellten Zugriff hatte.
Voraussetzungen der Verdachtskündigung nicht erfüllt
Selbst wenn ein dringender Verdacht bestanden hätte, wäre die Kündigung unwirksam gewesen, da der Kläger vor Ausspruch nicht zu den Vorwürfen angehört wurde. Auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ist unwirksam: Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund nach § 1 Abs. 2 KSchG sei nicht substantiiert vorgetragen worden. Das Kündigungsschutzgesetz fand Anwendung, da der Verein regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigte.
Praxistipp für Betriebs- und Personalräte
Bei einer Verdachtskündigung stützt der Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht auf einen nachgewiesenen Pflichtverstoß, sondern auf den dringenden Verdacht einer schweren Pflichtverletzung. Bestehen im Gremium Zweifel an der Stichhaltigkeit des Verdachts, sollte das Gremium beim Arbeitgeber nachhaken und vor allem den Betroffenen persönlich anhören. Ein klar formulierter Widerspruch kann im Kündigungsschutzprozess erhebliches Gewicht haben, den Arbeitgeber zur Konkretisierung zwingen und signalisiert auch dem Arbeitsgericht, dass die Beweislage umstritten ist.
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