MS-Office

Eingeschränkte Nachweispflicht von MS-Office-Kenntnissen

Darum geht es

Der schwerbehinderte Kläger bewarb sich auf eine Teilzeitstelle bei dem Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Der Beklagte suchte eine Assistenz in Teilzeit, die insbesondere Sekretariatsarbeit übernehmen sollte. Dafür wünschte sich der Beklagte unter anderem »nachgewiesene, sehr gute MS Office-Kenntnisse (Word, Excel, PowerPoint)«.

Aus der Bewerbung des Klägers geht unter anderem hervor, dass er eine kaufmännische Ausbildung hat und in den letzten Jahren unter anderem als Bürohilfe tätig gewesen sei. Der Umgang mit allen gängigen MS-Office-Anwendungen und Kommunikationsmittel sei für ihn »selbstverständlich«.

Trotz formaler Eignung und entsprechender Angaben in der Bewerbung wurde er nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Der Kläger machte daraufhin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend und klagte auf eine Entschädigung in Höhe von drei Brutto-Monatsgehältern, etwa 5.200 Euro.

Der Beklagte argumentierte, er habe den Kläger nicht nach § 165 SGB IX einladen müssen. Der Kläger sei offensichtlich ungeeignet, da er keine Nachweise über sehr gute MS-Office-Kenntnisse vorgelegt habe. Zudem sei die Bewerbung rechtsmissbräuchlich, da der Kläger weit entfernt wohne und bereits mehrere Entschädigungsklagen geführt habe.

Das sagt das Gericht

Das Arbeitsgericht (ArbG) Essen verurteilte den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von zwei Brutto-Monatsgehältern (etwa 3.450 Euro). Das ArbG stellte fest:

Der Kläger war nicht offensichtlich ungeeignet im Sinne des § 165 Satz 4 SGB IX. Seine Bewerbung enthielt ausreichende Angaben zur fachlichen Qualifikation, einschließlich Office-Kenntnissen und Berufserfahrung.

Die unterlassene Einladung zum Vorstellungsgespräch durch den öffentlichen Arbeitgeber begründet eine Vermutung der Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung (§ 22 AGG). Der Beklagte habe diese Vermutung nicht widerlegen können. Die Argumente zur mangelnden fachlichen Eignung und angeblich rechtsmissbräuchlichen Bewerbung reichten nicht aus.  

Belege für MS-Office-Erfahrungen nicht erforderlich

Auch wenn die Angabe des Klägers zu seinen MS-Office-Kenntnissen nicht durch Zertifikate oder Zeugnisse nachgewiesen ist, durfte der Beklagte nicht von der offensichtlichen Ungeeignetheit des Klägers ausgehen. Der Umgang mit MS-Office sei, so das ArbG, für die meisten Menschen selbstverständlich, ohne dass dieses in Zeugnissen besonders erwähnt werden müsste.

Außerdem können sehr gute MS-Office Kenntnisse auch ohne umfangreiche Schulungen im täglichen Gebrauch erworben werden. Von dem Fehlen irgendwelcher Nachweise könne daher nicht darauf geschlossen werden, dass keine sehr guten MS-Office Kenntnisse vorliegen. Das gelte auch dann, wenn der Beklagte in der Stellenausschreibung entsprechende Nachweise ausdrücklich verlangt.

Bewerbung nicht rechtsmissbräuchlich

Die Bewerbung war nicht treuwidrig oder ausschließlich auf Entschädigungsansprüche gerichtet. Dass der Kläger weit entfernt wohne und schon mehrere Entschädigungsklagen geführt habe, spricht aus Sicht des Gerichts mit Blick auf die sachbezogene Bewerbung nicht für einen Rechtsmissbrauch.

Die Kammer hielt eine Entschädigung von zwei Monatsgehältern für angemessen, da der Kläger auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

Hinweis für die Praxis

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, eine Berufung ist anhängig beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf unter Aktenzeichen 8 SLa 389/25. 

Dennoch unterstreicht das Urteil bereits die Bedeutung der Einladungspflicht öffentlicher Arbeitgeber gegenüber schwerbehinderten Bewerber*innen nach § 165 SGB IX.

Wichtig ist, dass sich hier auch ein Wandel in den Maßstäben abzeichnet: MS-Office-Kenntnisse gelten bei mehrjähriger Bürotätigkeit in der heutigen Arbeitswelt als selbstverständlich. Es lässt sich nach Ansicht des ArbG Essen unterstellen, dass auch „sehr gute“ Erfahrungen im Umgang mit MS Office in der Praxis erworben werden können, ohne dass dafür gesonderter Nachweise voerliegen. Wenn sich diese Linie in der Rechtsprechung verfestigt, könnte sich das auf Stellenausschreibungen und Bewerberbewertungen auswirken.

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