Das war der Fall
Ein Arbeitnehmer, der als Bäcker beschäftigt ist, brach sich nach dem Reinigen der Autoscheiben vor Fahrtantritt seines Arbeitswegs den Finger, nachdem er über die Borsteinkante gestolpert war. Er beantragte die Anerkennung als Wegeunfall gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Die Unfallkasse lehnte dies ab mit der Begründung, dass der Unfall nicht im Schutzbereich der Wegeunfallversicherung liege, sondern allenfalls unter die allgemeine Beschäftigtenversicherung falle.
Das sagt das Gericht
Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat den Fingerbruch als Wegeunfall anerkannt. Der Wegeunfallversicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII setze voraus, dass die versicherte Haupttätigkeit und das Zurücklegen des Weges miteinander verknüpft sind, was der Fall ist, solange und soweit der Weg mit der Aufnahme oder der Beendigung der Haupttätigkeit bei wertender Betrachtung verbunden ist. Dabei ist ein innerer bzw. sachlicher Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht.
Heißt für den konkreten Fall: Versichert sind somit Tätigkeiten wie das Eiskratzen im Winter oder eben das vergleichbare Reinigen der Scheiben vor Fahrtantritt. Es handelt sich hierbei nicht um unversicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeiten, sondern um die originäre versicherte Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, da ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem sich fortbewegen besteht.
Keine Wegunterbrechung durch Reinigung
Das Zurücklegen des Weges von der Außenhaustür bis zu seinem Fahrzeug sowie die anschließende Sichtprüfung der Fahrzeugscheiben und deren Reinigung (um den Arbeitsweg sicher zurückzulegen) stellen eine einheitliche Handlung der versicherten Vorbereitungshandlung im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII dar. Es liegt keine erhebliche Zäsur im Fortgang des versicherten Weges vor, weil der gesamte Vorgang nur einen kurzen Zeitraum in Anspruch nahm und damit keine wesentlich anderweitig geprägte Tätigkeit eines unversicherten Bereiches entsprach. Daher liegt keine Unterbrechung des Arbeitsweges vor. Der gesamte Geschehensablauf bis zum Fingerbruch ist versichert.
Das SG liefert im Urteil auch gleich noch eine Abgrenzung zur Beschäftigtenversicherung nach §§ 8 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und stellt klar, dass die Wegeunfallversicherung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII einen anderen Schutzbereich hat, der sich juristisch von der Beschäftigtenversicherung wesentlich unterscheidet und abzugrenzen ist.
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