Was der Betriebsrat wissen muss
Stellenausschreibungen dienen der gezielten Personalgewinnung, unterliegen jedoch einer Vielzahl gesetzlicher Vorgaben. Neben den Anforderungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sind auch betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu berücksichtigen.
Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2024 (Az. 17 Sa 2/24) stellt die AGG-konforme Ausgestaltung von Anforderungsprofilen in den Mittelpunkt – und verdeutlicht: Auch scheinbar moderne Begriffe wie „Digital Native“ können eine unzulässige Altersdiskriminierung darstellen.
Unzulässige Anforderungen in Stellenausschreibungen
Nach § 11 AGG dürfen Arbeitsplätze nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot (§ 7 Abs. 1 AGG) ausgeschrieben werden. Das Benachteiligungsverbot untersagt jede Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals, namentlich der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.
Darüber hinaus ist der Arbeitgeber gemäß § 7 Abs. 1 TzBfG verpflichtet, Arbeitsplätze auch als Teilzeitarbeitsplätze auszuschreiben, sofern sich die Tätigkeit hierfür eignet. Eine unterlassene oder unvollständige Teilzeitausschreibung kann nicht nur einen Verstoß gegen § 7 TzBfG darstellen, sondern zugleich eine mittelbare Diskriminierung im Sinne des AGG begründen.
Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 7. 11. 2024 –
17 Sa 2/24
Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Unternehmen in der Ausschreibung für die Position eines „Manager Corporate Communications (m/w/d)“ unter anderem formuliert:
„Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media […] zu Hause.“
Ein Bewerber des Geburtsjahrgangs 1972 bewarb sich erfolglos und machte daraufhin einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung gemäß § 15 Abs. 2 AGG geltend. Das LAG gab der Klage statt und sprach dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 7500 Euro zu.
Nach Auffassung des Gerichts ist der Begriff „Digital Native“ nicht altersneutral, sondern weise auf eine bestimmte Generation hin, die mit digitalen Technologien von Kindesbeinen an aufgewachsen ist. Dies deute auf eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters (§ 3 Abs. 1 AGG) hin. Die gesetzlich vermutete Kausalität (§ 22 AGG) konnte die beklagte Arbeitgeberin nicht widerlegen, da sie kein objektives, diskriminierungsfreies Auswahlverfahren darlegen konnte. Das Urteil unterstreicht eindrücklich, welchen hohen Anforderungen eine AGG-konforme und diskriminierungsfreie Stellenausschreibung genügen muss.
Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 93 BetrVG
Nach § 93 BetrVG kann der Betriebsrat verlangen, dass zu besetzende Arbeitsplätze zunächst innerbetrieblich ausgeschrieben werden. Dieses Initiativrecht ist nicht an eine konkrete personelle Einzelmaßnahme gebunden und setzt lediglich einen ordnungsgemäßen Beschluss des Gremiums voraus.
Ein entsprechendes Ausschreibungsverlangen verpflichtet den Arbeitgeber jedoch nicht, interne Bewerber gegenüber externen zu bevorzugen. Die personelle Auswahlentscheidung bleibt im Rahmen des Direktionsrechts dem Arbeitgeber vorbehalten. Allerdings gilt: Wird nachgelagert eine externe Ausschreibung vorgenommen, so darf das dort zugrunde gelegte Anforderungsprofil nicht hinter demjenigen der internen Ausschreibung zurückbleiben. Andernfalls besteht die Gefahr einer Umgehung der innerbetrieblichen Ausschreibungspflicht.
Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 93 BetrVG umfasst nicht die inhaltliche Ausgestaltung der Stellenausschreibung. Die Festlegung der fachlichen und persönlichen Anforderungen an die zu besetzende Position obliegt dem Arbeitgeber. Eine Mitbestimmungspflicht besteht insoweit nicht, da Stellenausschreibungen keine Auswahlrichtlinien im Sinne von § 95 BetrVG darstellen.
Die Betriebspartner haben jedoch die Möglichkeit, die Ausschreibungspflicht im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung (§ 88 BetrVG) näher zu konkretisieren. Ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht besteht nicht. Erfolgt keine ordnungsgemäße innerbetriebliche Ausschreibung, kann der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG verweigern.
Durchsetzung von AGG-Vorgaben durch den Betriebsrat
Gemäß § 17 Abs. 1 AGG sind Arbeitgeber, Beschäftigte sowie deren Interessenvertretungen zudem verpflichtet, im Rahmen ihrer Aufgaben zur Verwirklichung der in § 1 AGG genannten Ziele beizutragen.
Nach § 17 Abs. 2 AGG steht dem Betriebsrat oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft das Recht zu, bei groben Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen (§ 23 Abs. 3 Satz 1 AGG). Ziel eines solchen Antrags ist die gerichtliche Feststellung, dass sich der Arbeitgeber künftig gesetzeskonform zu verhalten hat.
Eine Pflichtverletzung gilt dabei als grob, wenn sie objektiv erheblich und für einen fachkundigen Betrachter offensichtlich schwerwiegend ist. Voraussetzung ist, dass die Pflichtverletzung bereits begangen wurde; eine bloße Gefährdung genügt nicht.
Fazit
Die rechtssichere Gestaltung von Stellenausschreibungen ist kein bloßer Formalismus, sondern essenzieller Bestandteil diskriminierungsfreier Personalgewinnung. Das Urteil des LAG Baden-Württemberg unterstreicht eindrücklich, dass auch vermeintlich zeitgemäße Begriffe wie „Digital Native“ eine mittelbare Diskriminierung darstellen können – mit spürbaren rechtlichen und finanziellen Konsequenzen für den Arbeitgeber.
Neben den Anforderungen des AGG sind auch die Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Zwar hat der Betriebsrat keinen Einfluss auf den konkreten Inhalt der Ausschreibung, kann aber im Rahmen seiner Initiativ- und Zustimmungsrechte die innerbetriebliche Fairness stärken.
Sophie Böxkes, Wissenschaftliche Mitarbeiterin AfA Rechtsanwälte
AiB Aktuell, Newsletter vom 18.6.2025