Wer mehrfach zu spät kommt, riskiert eine Kündigung. Allerdings muss er vorher klar formulierte Abmahnungen erhalten haben. Sind mehrere Abmahnungen zeitgleich erfolgt, verlieren sie ihre Warnfunktion. Die Kündigung ist folglich unwirksam – so nun das LAG Köln.
Das ist der Fall
Ein Beschäftigter in der Produktion erhält im März 2021 mehrere Abmahnungen wegen Zuspätkommens. Anfang Juli verspätet er sich erneut um ca. 40 Minuten. Nach einem Personalgespräch und der Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG) spricht die Arbeitgeberin eine verhaltensbedingte Kündigung aus. Dagegen wendet sich der Beschäftigte. Er ist der Meinung, die Kündigung sei unverhältnismäßig. Es hätten jeweils Gründe für das Zuspätkommen vorgelegen. Zudem habe er den Vorgesetzten immer rechtzeitig informiert.
Das sagt das Gericht
Der Beschäftigte ist mit seiner Kündigungsschutzklage erfolgreich. Er bekommt vor dem Arbeitsgericht und vor dem LAG Recht. Zwar kann ein verspätetes Erscheinen im Betrieb trotz einschlägiger Abmahnungen eine Verletzung der Arbeitspflicht und damit einen Kündigungsgrund darstellen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Hier fehlt es aber sowohl an der erforderlichen Abmahnung als auch an der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung:
- Unterlassene Abmahnung
Eine verhaltensbedingte Kündigung verlangt immer eine vorherige Abmahnung durch den Arbeitgeber. Hier hat der Beschäftigte im Vorfeld der Kündigungen drei Abmahnungen am selben Tag für dreimaliges Zuspätkommen erhalten. Diese »drei Abmahnungen« wirkten – so das Gericht – in ihrer Warnfunktion wie eine einzige Abmahnung. Dem Beschäftigten wurde folglich nach dieser erteilten Warnung keine weitere Chance zur Verhaltensänderung eingeräumt. Der Arbeitgeber hätte daher – auch mit Blick auf die geringe Schwere der Pflichtverletzung – statt einer Kündigung eine weitere Abmahnung aussprechen müssen.
- Mangelhafte Betriebsratsanhörung
Zudem ist die Betriebsratsanhörung unvollständig und daher fehlerhaft. Eine Anhörung ist nur dann ordnungsgemäß (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG), wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat umfassend unterrichtet und ihm die Umstände mitteilt, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (BAG 16.7.2015 – 2 AZR 15/15). Hier hat der Arbeitgeber nicht mitgeteilt, wie groß die Verspätung war, zum anderen fehlten Hinweise zum Hintergrund der jeweiligen Verspätungen.
Praxishinweis für Betriebs- und Personalräte
Bei verhaltensbedingten Kündigungen (also Kündigungen wegen Fehlverhaltens des Beschäftigten) muss immer eine Abmahnung vorausgehen. Mehrere Abmahnungen dürfen nicht alle zeitgleich ergehen, dann verfehlen sie eventuell ihre Warnfunktion, weil der Beschäftigte sie nicht mehr dem Fehlverhalten zuordnen kann. Im Fall des LAG Köln wurden hingegen mehrere Verstöße an einem Tag abgemahnt. Dies wurde der Warnfunktion jeder einzelnen Abmahnung nicht gerecht.
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Quelle
LAG Köln (20.10.2022)
Aktenzeichen 8 Sa 465/22