Verbreitet eine Angestellte per WhatsApp die unwahre Behauptung, ein Kollege sei wegen Vergewaltigung verurteilt, ist eine fristlose Kündigung gerechtfertigt, auch wenn die Angestellte von der Unwahrheit nichts wusste. Die Meinungsfreiheit soll hier zurücktreten – so das LAG Baden-Württemberg.
Eigentlich sind WhatsApp-Nachrichten vertraulich. Man geht davon aus, dass sie nicht nach außen und schon gar nicht an den Arbeitgeber gelangen. Doch das gilt wohl nicht mehr so richtig.
Das war der Fall
Eine junge Frau war erst wenige Tage als kaufmännische Angestellte in einem Unternehmen eingestellt. Es galt noch die Probezeit von sechs Monaten. Ein Bekannter erzählte ihr in einem Cafe, dass der ebenfalls im Unternehmen beschäftigte Vater des Geschäftsführers ein »verurteilter Vergewaltiger« sei. Das stimmte nicht, was die Angestellte in dem Zeitpunkt nicht wusste. Sie informierte eine Kollegin in einem eigentlich vertraulichen WhatsAppChat über diese Erkenntnis. Sie wolle mit ihm nichts mehr zu tun haben, schrieb sie in dem Chat, und nicht mehr für die Firma arbeiten. Sie berichtete außerdem von einem Versicherungsbetrug.
Die Kollegin bat den Geschäftsführer um einen Gesprächstermin, in dem sie die Vergewaltigung thematisierte. Daraufhin kündigte der Geschäftsführer der neu eingestellten kaufmännischen Angestellten fristlose, hilfsweise fristgemäß. Diese üble Nachrede beschädige den Ruf des Kollegen und das Ansehen der Firma. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage gegen die fristlose Kündigung statt.
Das sagt das Gericht
Das LAG sieht – anders als das erstinstanzliche Arbeitsgericht – eine fristlose Kündigung als zulässig an. Dem Arbeitgeber kann nach § 626 BGB die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden.
Grobe Beleidigungen oder gar Äußerungen, die den Tatbestand der »üblen Nachrede« (§ 186 StGB) erfüllen, stellen einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung dar. Eine üble Nachrede ist dabei das Behaupten von ehrenrührigen Tatsachen. Das Gericht sah dies als gegeben an. Es reicht aus, dass der Angestellten die »Ehrenrührigkeit« ihrer Behauptung bewusst war, wovon auszugehen ist. Nicht entscheidend ist, ob ihr die Unwahrheit dieser Behauptung bewusst war.
Insgesamt ist diese ehrenrührige Behauptung geeignet, das Ansehen der betroffenen Person und des Unternehmens in erheblicher Weise zu beschädigen.
Recht auf Meinungsäußerung zählt hier nicht
Die Angestellte kann sich nach Meinung des LAG auch nicht auf ihr Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG) berufen. Das Grundrecht ist nicht schrankenlos gewährleistet, sondern wird durch das Recht der persönlichen Ehre – hier des betroffenen Kollegen – gem. Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar dürfen Arbeitnehmer – auch unternehmensöffentlich – Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. Allerdings muss der auch strafrechtlich gewährleistete Ehrenschutz beachtet werden.
Das muss der Betriebsrat beachten
Die Entscheidung erscheint problematisch. Denn was, wenn die neu eingestellte Kollegin sich als Frau einfach erkundigen wollte, ob das ihr zugetragene Gerücht stimmte? Dennoch sollten Betriebsräte hier ihre Kollegen darauf hinweisen, dass WhatsApp und andere Messenger-Dienste nicht so vertraulich und harmlos sind, wie viele denken.
Und wenn Beleidigungen des Arbeitgebers oder Äußerungen, die den Tatbestand der »üblen Nachrede« erfüllen, den geschlossenen Kreis der WhatsApp-Gruppe verlassen, dann kann es üble Folgen für das Arbeitsverhältnis haben.
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Quelle
LAG Baden-Württemberg (14.03.2019)
Aktenzeichen 17 Sa 52/18
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