Als Bildungsdienstleister der IGBCE ist es uns wichtig, grundlegende Konzepte im Unternehmensumfeld, die die Mitbestimmung fördern, zu erklären. In diesem Artikel widmen wir uns dem Aufsichtsrat – einem zentralen Organ in Aktiengesellschaften (AG) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH). Warum ist der Aufsichtsrat wichtig, wie ist er zusammengesetzt, welche Rechte und Pflichten hat er, wann wird gewählt, und welche Vorteile ergeben sich für den Betrieb und die Arbeitnehmer? Was hat die Gewerkschaft überhaupt damit zu tun?
Der Aufsichtsrat – gelebte Demokratie
Der Aufsichtsrat ist ein Gremium, dessen Hauptaufgabe darin besteht, die Geschäftsführung zu überwachen und zu kontrollieren. In AGs überwacht er den Vorstand, in GmbHs die Geschäftsführung. Anders als das Management hat der Aufsichtsrat keine operativen Aufgaben, sondern agiert als Kontrollgremium, das die Unternehmensstrategie, Geschäftsführung und finanzielle Lage überwacht.
Aufsichtsrat vs. Betriebsrat – die wichtigsten Unterschiede
Während der Aufsichtsrat die Interessen der Gesellschafter/Aktionäre vertritt und die Geschäftsführung überwacht, ist der Betriebsrat darauf ausgerichtet, die Interessen der Arbeitnehmer*innen zu vertreten und in innerbetrieblichen Angelegenheiten mitzubestimmen. Beide Gremien können jedoch dazu beitragen, eine ausgewogene Unternehmensführung sicherzustellen, indem sie verschiedene Perspektiven berücksichtigen. Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Gremien liegt demnach in der Funktion und Zielsetzung der beiden Gremien.
Zusammensetzung des Aufsichtsrats
Der Aufsichtsrat setzt sich aus Vertreter*innen der Aktionäre oder Gesellschafter zusammen. Die genaue Zusammensetzung variiert je nach Unternehmensform und nationalen Gesetzen. Arbeitnehmervertreter*innen spielen eine entscheidende Rolle, insbesondere in größeren Unternehmen.
Rechte, Pflichten und Aufgaben
Rechte: Zustimmung bei bestimmten Geschäften, Informationsrecht gegenüber dem Vorstand, Überwachung der Wirtschaftlichkeit
Pflichten: Verschwiegenheit gegenüber Außenstehenden, Wahrung der Unternehmensinteressen, Sorgfaltspflicht vergleichbar mit einem GmbH-Geschäftsführendem
Aufgaben: Überwachung von Firmenverkäufen, Umstrukturierungen, Jahresabschlüssen und Investitionsplanungen, Überwachung der langfristigen Unternehmensziele
Die Wahl des Aufsichtsrats
Die Wahl erfolgt auf der Hauptversammlung (bei AGs) oder Gesellschafterversammlung (bei GmbHs), üblicherweise alle fünf Jahre. Jedoch existiert, im Gegensatz zu der Wahl des Betriebsrats, kein einheitlicher, festgelegter Zeitraum der Wahlen. Demnach ist auch die Amtszeit nicht für jedes Unternehmen gleich. Wo und wann Wahlen bei euch im Betrieb stattfinden, erfahrt ihr durch den Betriebsrat oder eure Gewerkschaftsvertreter*innen der IGBCE. Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden von der Belegschaft direkt gewählt. In Frage kommen hierbei Arbeitnehmervertreter*innen aus dem Betrieb als auch Personen aus der jeweiligen Gewerkschaft. Somit werden Erfahrungen aus dem spezifischen Unternehmensalltag mit politischen Erkenntnissen vereint.
Im Jahr 2023 haben einige Betriebe innerhalb der Branchen der IGBCE Aufsichtsratswahlen durchgeführt. Beispielsweise haben die Wacker Chemie AG und Schott Pharma Ag & Co. KGaA neue Mitglieder in den Aufsichtsrat gewählt und somit die Mitbestimmung und Demokratie in diesen großen Unternehmen gesichert.
Inwiefern profitieren sowohl der Betrieb als auch Beschäftigte von einem Aufsichtsrat?
Die Einrichtung eines Aufsichtsrats bringt nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für den Betrieb selbst zahlreiche Vorteile mit sich.
Vorteile für den Betrieb:
Innovativere und krisenfestere Unternehmen:
Durch die Einbindung von Arbeitnehmervertreter*innen im Aufsichtsrat entsteht ein breiteres Spektrum an Perspektiven und Ideen. Dies fördert die Innovationskraft des Unternehmens und macht es resistenter gegenüber Krisen.
Höhere Investitionsbereitschaft und Selbstbewusstsein der Beschäftigten:
Die Teilnahme der Arbeitnehmer*innen am Entscheidungsprozess steigert deren Identifikation mit dem Unternehmen. Dies führt zu einer höheren Investitionsbereitschaft und einem gesteigerten Selbstbewusstsein der Beschäftigten.
Mitgestaltung der Unternehmenspolitik durch Beschäftigte:
Die Einbindung des Aufsichtsrats in die Gestaltung der Unternehmenspolitik führt zu sachlichen, sicheren und planbaren Entscheidungen. Die Vielfalt der Perspektiven trägt zur Entwicklung einer ausgewogenen Unternehmensstrategie bei.
Vorteile für Beschäftigte/Arbeitnehmer*innen:
Mitgestaltung des unternehmerischen Handelns:
Die Arbeitnehmer*innen haben die Möglichkeit, aktiv am unternehmerischen Handeln teilzunehmen und ihre Perspektiven einzubringen. Dies fördert das Verantwortungsbewusstsein und die Identifikation mit den Unternehmenszielen, was langfristig zu mehr Zufriedenheit im Job führt.
Einschätzung von Veränderungsprozessen und Chance für eigene Vorschläge:
Arbeitnehmer*innen im Aufsichtsrat können Veränderungsprozesse besser einschätzen und haben die Chance, eigene Vorschläge einzubringen. Dies trägt nicht nur zur kontinuierlichen Weiterentwicklung des Unternehmens bei, sondern Mitarbeiter*innen fühlen sich mehr wertgeschätzt.
Sicherung des sozialen Friedens im Betrieb:
Die Beteiligung der Arbeitnehmer*innen an unternehmerischen Entscheidungen trägt zur Sicherung des sozialen Friedens im Betrieb bei. Ein offener Dialog fördert Verständnis und Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmer*innen.
Mehr Engagement durch Teilhabe und Zusammenarbeit:
Die Möglichkeit der Teilhabe am Entscheidungsprozess fördert das Engagement der Beschäftigten. Zusammenarbeit auf Augenhöhe schafft eine positive Arbeitsatmosphäre und stärkt das Wir-Gefühl im Unternehmen.
Gewerkschaften und der Aufsichtsrat – maximale Durchsetzung von Mitbestimmung im Betrieb
Gewerkschaften spielen eine entscheidende Rolle im Aufsichtsrat, da sie unabhängig von der Unternehmensleitung agieren. Sie stärken die Kompetenz der Arbeitnehmerbank, besitzen das Vertrauen der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten und setzen sich langfristig für die Belange aller Standorte eines Konzerns ein.
Für weitere Informationen rund um den Aufsichtsrat und Wahlen steht euch die IGBCE gerne zur Verfügung. Für die Vertiefung eures Wissens empfehlen wir euch die Teilnahme an unserem Seminar „Risikomanagement im Aufsichtsrat und Wirtschaftsausschuss“.
Die Einrichtung eines Aufsichtsrats ist nicht nur ein Instrument der Mitbestimmung, sondern schafft eine Win-Win-Situation, von der sowohl der Betrieb als auch die Beschäftigten nachhaltig profitieren können.